Institute of Solid State Physics

EN


 Neuartige Diffusionsmechanismen beim Wachstum organischer dünner Filme

Halbleitende organische Filme bilden die Grundlage für eine neue Generation elektronischer und optoelektronischer Bauelemente. Deren physikalischen Eigenschaften werden maßgeblich durch die Anordnung der Moleküle in diesen Schichten bestimmt. Im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Nationalen Forschungsnetzwerks konnten Physikern der Montanuniversität Leoben in Zusammenarbeit mit Kollegen der Technischen Universität Graz neuartige Diffusionsmechanismen beim Wachstum organischer Halbleiterschichten aufdecken, die in der ersten Juli-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „SCIENCE“ veröffentlich wurden (Science 321, 108, 2008) und deren Kenntnis für das Design elektronischer Bauelemente wie organischer Leuchtdioden und Dünnschichttransistoren von großer Bedeutung ist.

Die von DI Paul Frank und Prof. Adolf Winkler vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität Graz hergestellten Schichten aus dem Molekül Parahexaphenyl bilden auf speziell präparierten Glimmeroberflächen terrassierte Hügel. Seit etwa 40 Jahren kennt man solche Morphologien in anorganischen kristallinen Schichten, wo es sich bei den diffundierenden Spezies um Atome handelt. Die Hügelbildung lässt sich mit einer zusätzlichen Diffusionsbarriere an Stufenkanten erklären, die bei bestimmten Wachstumsbedingungen aktiv ist und die Ausbildung geschlossener Lagen verhindert. Nach ihren Entdeckern wird diese Barriere heute Ehrlich-Schwoebel-Barriere genannt.

Dr. Gregor Hlawacek konnte in seiner von Prof. Christian Teichert betreuten Doktorarbeit am Institut für Physik der Montanuniversität mittels Rasterkraftmikroskopie die Form der Hügel genau vermessen. Diese Hügel erinnern in ihrer Form sehr an den steirischen Erzberg, allerdings weisen sie nur Höhen von wenigen Nanometern auf. Die Terrassenhöhe von 2.6 nm entspricht in etwa der Moleküllänge. Daraus kann man schließen, dass die Hügel aus nahezu senkrecht stehenden Molekülen aufgebaut sind. Dr. Hlawacek ist es nun in Anwendung einer für metallische kristalline Schichten entwickelten Auswertungsprozedur gelungen, anhand dieses Modellsystems erstmals die Ehrlich-Schwoebel-Barriere für organische Schichten zu ermitteln.

Modernste Computersimulationen, durchgeführt von Dr. Peter Puschnig und Frau Prof. Ambrosch-Draxl am Lehrstuhl für Atomistic Modelling and Design of Materials in Leoben, konnten die experimentell gewonnen Daten nicht nur bestätigen, sondern auch noch zeigen, dass sich die Moleküle bei der Diffusion verbiegen. Das Verbiegen benötigt zwar Energie, die aber teilweise wieder eingespart wird, da weniger Bindungen aufgebrochen werden als bei der Diffusion starrerer Moleküle. Das ist ein Phänomen, welches bei den bisher in der Literatur untersuchten anorganischen, atomar aufgebauten, Schichten natürlich nicht auftreten kann. Eine zweite Erkenntnis ergab sich aus der Analyse der Terrassenhöhen in den untersten Hügellagen, also im Anfangsstadium des Wachstums. Diese Höhen sind geringer aufgrund stärker geneigter Moleküle. Dadurch verringert sich die Barriere zur Überwindung der Stufenkante, da sich die Moleküle weniger verbiegen müssen. Die Folge ist eine Lagenabhängige Ehrlich-Schwoebel-Barriere. Auch dieses Phänomen ist eine direkte Folge der Anisotropie und Komplexität der Bausteine in organischen Schichten im Gegensatz zu den atomaren anorganischen Systemen. Im Nationalen Forschungsnetzwerk wird nun versucht, mit den gewonnenen Erkenntnissen die Wachstumsbedingungen soweit zu optimieren, dass sich geschlossene Schichten aufrechtstehender Moleküle bilden, wie sie für die Herstellung organischer Dünnschichttransistoren benötigt werden.

Gregor Hlawacek, Peter Puschnig, Paul Frank, Adolf Winkler, Claudia Ambrosch-Draxl, Christian Teichert: 'Characterization of Step-Edge Barriers in Organic Thin-Film Growth', Science 321 p. 108 (2008).

Artikel in die Presse

Kleine Artikel in die Kleine Zeitung

FWF Presseaussendung

Informationsdienst Wissenschaft

Weekend Magazin: Biegsame Bildschirme

chemie.de

Solid state and materials research news: phys. stat. sol. (RRL) 4/2008

 

 


Impressum, Datenschutzerklärung