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 Karl Franzens University Graz

Graz University of Technology 

Pikometer Elektronenmikroskopie
Prof. Dr. Knut W. Urban
Peter Gruenberg Institute (PGI‐5), Research Centre Juelich
17:15 - 18:15 Tuesday 08 January 2013 TUG P2

In den Neunzigerjahren, sechzig Jahre nach der Erfindung des Elektronenmikroskops durch Ernst Ruska, gelang es endlich berrationskorrigierte Elektronenoptik zu realisieren 1. Dies hat in den letzten zehn Jahren zu einer Revolution in der Elektronenmikroskopie geführt. Dabei verbesserte sich die Rayleigh-Auflösung auf 50 Pikometer und die (letztlich noch wichtigere) Präzision der Messungen auf 1 Pikometer, ein Hundertstel des Durchmessers eines Wasserstoffatoms. Dies bedeutet erstmals wirklich atomares Auflösungsvermögen 2,3. Auf dieser Basis hat sich das Elektronenmikroskop zu einem einzigartigen physikalischen Messinstrument entwickelt, mit dem es nun möglich ist, makroskopische physikalische Eigenschaften mit ultrapräzisen atomaren Positionsmessungen zu korrelieren.

Allerdings ist, entgegen einer weitverbreiteten Meinung, die optische Auflösung nur eine der Voraussetzungen für die Mikroskopie im atomaren Bereich. Die Welt der Atome ist die Welt der Quantenphysik. Dort verliert der Begriff des 'Bildes' seine konventionelle Bedeutung. Die Elektronenwellen treten mit dem atomaren Streupotential in Wechselwirkung, und die diese Wechselwirkung beschreibende relativistisch korrigierte Schrödinger-Gleichung liefert als Lösung Blochzustände. Es sind diese Blochzustände, und keinesfalls die Atome selbst, welche das eigentliche Objekt der Elektronenoptik darstellen. Aufgrund der hohen Nichtlinearität des quantenphysikalischen Streuproblems und des elektronenoptischen Abbildungsprozesses ist die Basis der ultrapräzisen Pikometermikroskopie eine numerische Inversion des Abbildungsproblems (von 'Bildern' zurück zur atomaren Struktur) im Computer 4,5.

Nach einer Einführung in die Grundlagen der quantenphysikalischen atomaren Abbildung in der jüngsten Generation elektronenoptischer Geräte werden die Möglichkeiten dieser neuen Mikroskopie anhand von Beispielen aus dem Bereich der Oxide und Ferroelektrika beschrieben 6,7.

1 Haider, M., Uhlemann, S., Schwan, E., Rose, H., Kabius, B. & Urban, K. (1998). Nature 392, 768–769.
2 Jia, C. L., Lentzen, M. & Urban, K. (2003). Science 299, 870–873.
3 Jia, C. L. & Urban, K. (2004). Science 303, 2001-2004.
4 Urban, K. (2009). Nature Materials 8, 261-262.
5 Urban, K. (2008). Science 321, 506-510.
6 Heuer, A. H., Jia, C. L. & Lagerlöf, K. P. D. (2010). Science 330, 1227-1231.
7 Jia, C. L., Urban, K., Alexe, M., Hesse, D. & Vrejoiu, I. (2011). Science 331, 1420-1423.